Dass die Kontinente sich voneinander weg bewegen, mehr noch, dass sie einmal als eine zusammenhängende Landmasse ein geologisches und biologisches Kontinuum bildeten, gilt heute als einwandfrei belegt. Diese weitreichende Erkenntnis ist wiederum untrennbar mit dem Namen Alfred Wegener verbunden.

Schon 1903, während seines Studiums der Astronomie und Meteorologie, war die Vorstellung eines Urkontinents in dem jungen Wissenschaftler gereift. Die Kongruenz der Ostküste Südamerikas und der Westküste Afrikas, die durch verbesserte ozeanische Tiefenkarten für ihn noch offensichtlicher schien, konnte aus seiner Sicht nicht zufällig sein, sondern musste Ausdruck der Tatsache sein, dass diese Kontinente einmal zusammenhingen.

Wer glaubt, diese Theorie sei schon zur Zeit Ihrer Entstehung begeistert aufgenommen worden, irrt. Als Alfred Wegener sein epochales Werk „Die Entstehung der Kontinente und Ozeane“ 1915 erstmals veröffentlichte, war die Resonanz alles andere als ermutigend.

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Wegener, als Meteorologe und Grönland-Experte von zeitgenössischen Geologen ohnehin als Exot betrachtet, konnte sich unter vielen Wissenschaftlern der damaligen Zeit zunächst erbitterten Widerstands sicher sein. Was war passiert?

Zum einen rüttelte er mit seiner Idee zur Entstehung der heutigen Gestalt der Erde an den damals für plausibel gehaltenen Grundfesten geologischen Wissens: Er behauptete, Evidenz dafür zu haben, dass die Kontinente einst wie Teile eines großen Puzzles zusammenhingen und sich noch heute voneinander wegbewegten.

Zum anderen hatte er kaum einen Beleg für die dahinterstehenden Kräfte, die solche Bewegungen überhaupt erst möglich machen könnten. Erst die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts gebar die komplementierende Theorie der Plattentektonik, die Alfred Wegeners kühnen Behauptungen einen ursächlichen Mechanismus zur Seite stellten.

Auch wenn heute fast jedes Schulkind die Vorstellung von der Bewegung der Kontinente für selbstverständlich hält, ist den wenigsten Menschen klar, was eigentlich die genauen Argumente für diese Theorie sind.

Solange damalige Messmethoden die auch heute noch stattfindende Wanderung der Kontinente nicht unzweifelhaft nachweisen konnten, waren es vor allem indirekte Indizien, die Wegener zur Untermauerung seiner Hypothese heranziehen konnte. So lassen sich diese Indizien zwar aus heutiger Sicht gut in ein Modell von dynamischen Kontinenten einordnen, gleichzeitig darf man nicht glauben, die damalige Fachwelt sei gegenüber Wegeners Annahmen lediglich verblendet und einseitig parteiisch gewesen.

Denn die Interpretation der von Wegener zusammengetragenen Fakten war immer auch in anderen Deutungshorizonten plausibel, vor allem solange sich die Kontinentaldrift einer direkten Beobachtung verweigerte und die anzunehmenden Kräfte mehr als rätselhaft erscheinen mussten.

Starke Evidenz für die allmähliche Drift der Landmassen ergab sich erst nach dem Zweiten Weltkrieg und lange nach Wegeners Tod unter anderem aus seismischen Messungen, die ergaben, dass die Ozeanböden viel dünner als angenommen waren. Dies sprach dafür, dass sie deutlich jünger als gedacht und aus einem dynamischen Prozess wie der Kontinentaldrift entstanden sein könnten.

Ebenso trugen die Entdeckung des MIttelatlantischen Rückens, die Kartierung von Erdbebengebieten oder auch die Messung der Magnetisierungsrichtung in Gesteinen dazu bei, ein Bild zu zeichnen, bei dem sich große tektonische Platten der Erdkruste in einer sehr langsamen Fließbewegung auf dem Erdmantel bewegen, angetrieben von Konvektionsströmen heißer plastischer Gesteine.

Wegener hat den Erfolg seiner Idee nicht mehr erleben dürfen. Er starb im Alter von 50 Jahren bei seiner vierten Grönlandexpedition.

Auch heute noch kann die Geschichte der Kontinentaldrift-Theorie als Beispiel dafür gelten, wie mühsam und lang sich der Weg zur wissenschaftlichen Wahrheit oftmals gestaltet und auch wie sehr er mit der Unbeirrbarkeit und Ausdauer einzelner Persönlichkeiten verknüpft ist.